Ich schreibe diesen Bericht knapp eine Woche nach dem Event und es ist nach wie vor schwer die erlebten Eindrücke in Worte zu fassen. Eine für mich persönlich so noch nie dagewesene Mischung aus Wille, Angst, Stärke, Furcht, Trauer und Freude hat Tom und mich 12h lang begleitet und in verschiedenen Phasen des Events seine unterschiedlichen Facetten gezeigt, aber dazu später.
Um den Beginn abzukürzen; wir reisten bereits Donnerstag nach England um uns 2 Tage gemütlicher Vorbereitung zu gönnen. Eine waise Entscheidung wie sich später herausstellte, konnten wir uns doch a) entspannen und b) in Ruhe die erforderliche Gearlist auf bestmögliche Art in unserem Rucksack verstauen.
Die Gearlist
Hauptbestandteil der ansonsten sehr knapp gehaltenen Gearlist (keine special items) war das Gewicht welches Minimum 25lb aufweisen musste. Tom und ich entschieden uns für eine Metallplatte, die mit Luftpolsterfolie umwickelt wurde um die Druckstellen zu minimieren. Eine übrigens beliebte Taktik wie ich dann vor Ort feststellen konnte.
Ausgerüstet mit dem Rucksack und einem selbst gebastelten Schild, das noch sehr wichtig werden sollte, ging es auf das Eventgelände in Marston Lodge – ein ländliches Hügelgelände mit ein paar flachen Anstiegen und saftigen Wiesen. Die Festivalarea war für ein Spartan Race überdurchschnittlich gut gestaltet – mein Highlight war die Champions Wall auf der sich die dirtrun.company natürlich verewigt hat!
Es geht los!
Punkt 18.00 begann das Event – langsam und bedächtig ruhig; zu ruhig! Den 85 tatsächlich erschienenen Teilnehmern wurde das Format erklärt, gefolgt von einer 10 minütigen Frist um seine Gearlist auf Vollständigkeit zu überprüfen – Zeit die offensichtlich nicht jeder genutzt hat…
Etwas verwundert war ich über die panische Abklebung wirklich sämtlicher durchscheinender Logos auf den schwarzen Shirts, selbst wenn sie von darunterliegender Kleidung stammten.
Nun zu den Schildern – diese bekamen Namen und Nummer des Teilnehmers und galten fortan als Grabsteine. Wer nicht mehr fähig war den Event fortzusetzen oder von der Krypteia eliminiert wurde, schlug sein Schild in den Boden mit der Uhrzeit wann er/sie den HH12HR verlassen hat.
Danach begann das Warmup, auch unter PT bekannt – die erste Phase in der ich vollkommen das Zeitgefühl verlor. Gefühlte 2h wurden wir mit endlosen Abfolgen an 8-counts (Burpees mit Spreizsprung am Boden), overhead squats mit dem Rucksack, Situps, Liegestützen, Hill runs, etc „verwöhnt“. Das Gepäck blieb zu jedem Zeitpunkt am Körper.
Die Taktik unserer zugeteilten Krypteia war simpel: Gib dem Team eine Aufgabe – wird diese nicht synchron oder als Teamleistung erledigt hagelte es Burpees/8-counts. Es dauerte an die 80 Stück bis das Team diese Aufgabe begriffen hatte – erster Lerneffekt. Die ersten Grabsteine dauerten gerade mal 15 Minuten und am Ende des Warmups waren wir gute 20 Personen weniger und die Sonne hinter dem Horizont verschwunden.
HH12HR – Jetzt geht’s erst richtig los
Nun begann der eigentliche Bewerb, Aufgabe Nummer 1 war es dutzende Heuballen des Bender, der ungefähr 1,5 – 2km vom Festivalgelände im Wald stand zurück zum Start zu bringen und dort zu einer Pyramide zu stapeln. Nach 10 minütiger Beratung wurde entschieden, dies in Etappen zu erledigen; 2-4 Teilnehmer schnappten sich je nach Größe einen Ballen; Tragetechniken unterschiedlichster Art kamen zum Einsatz und nach ca. 1-1,5h erreichen wir 3 kleine Wände. Dort wurde umgestellt und mittels Menschenkette ein Ballen nach dem anderen von Wand zu Wand gehoben – hätte ein Ballen den Boden berührt: 500 Burpees
Angekommen im Festivalgelände wurden die Ballen gestapelt und als Belohnung durfte die Gruppe zum Start robben – wer mit dem Oberkörper den Boden verlies galt als „dead weight“ und musste von den anderen mitgezogen werden. Ein Schicksal das letztlich alle erwischte und der Gruppe die Erlaubnis kostete den Rucksack am Rücken zu tragen – fortan musste alles im Brief Case carry erledigt werden.
Nun folgte der erste Time Hack – so schnell wie möglich den Hügel hoch und bis zum 2km entfernten rope climb laufen, dort diesen absolvieren (Gott sei Dank ohne Gepäck – Erinnerungen an Wr Neustadt wurden wach!), einen Zettel mit einem mysteriösen Spruch und einer Nummer (7) bekommen und weiter zum Bucket Carry laufen.
Ich war bei Ankunft am Bucket Carry guter 5. und wunderte mich warum wir plötzlich wieder zusammenwarteten, als bereits das Kommando „Dooown“ erschallte. Nicht alle hatten einen Zettel mitgenommen weshalb Teile der Gruppe zurücklaufen mussten während der Rest anfing Burpees zu machen – 50, 100, 150 Burpees gingen vorbei als plötzlich folgendes Angebot kam:
Wenn 3 Leute der Gruppe jetzt sofort aufgeben werden die Burpees gestoppt – à Ergebnis nochmal 100 weitere Burpees da die Gruppe sich weigerte. Damit war der Time Hack beendet.
Nun ging es weiter durch den Wald den Hügel hinauf bis zu einem Schrägplateau wo 4 Telefonmasten auf uns warteten. Diese wurden zuerst durch die Gegend getragen, dann folgte mit dem Mast PT bevor weitergetragen und gerollt werden musste. Wir wechselten uns innerhalb der Gruppe zwar ab, dennoch kollabierte plötzlich in der Mitte des Stammes ein Teilnehmer vollkommen. Ich konnte nicht sehen warum, aber es dürfte an der Verteilung der Leute gelegen haben. Während er medizinisch versorgt wurde und danach aufgeben musste gab es für den Rest einen Vortrag über Teamverhalten gefolgt von…PT.
Nächste Aufgabe: Die Masten durch den Barbed wire Crawl zu befördern – während 2 Gruppen versuchten ihn zu schieben und damit Zeit und Kraft verbrannten hatte unsere Gruppe mit der gleichzeitigen Hebe und Zug Taktik wesentlich mehr Erfolg. Vollkommen erschöpft sanken wir nach dem Stacheldraht zu Boden als die frohe Nachricht kam, dass die Stämme zum Festivalgelände geschleppt werden müssen – dies war zu dem Zeitpunkt gute 3km entfernt!!!
Ich kann nicht sagen wielange wir für diese Aufgabe gebraucht haben, aber die Schultern waren spätestens jetzt Pudding – die Gruppe war mittlerweile unter 50 Personen geschrumpft. Die Stämme wurden an der Pyramide aufgerichtet.
Am Festivalgelände erwartete uns Time Hack Nummer 2 – mit Gepäck zum 2km entfernten Traktor Pull laufen, dort einen Stein samt Kette aufnehmen und zurück zum Gelände bringen. Zeit dafür 25 Minuten. Uns war klar, dass dies der entscheidende Time Hack werden würde, also wurden sämtliche Reserven mobilisiert – ich kam als erster am Hindernis an, bekam wieder einen Zettel und zurück ging die wilde Fahrt. Erwartungsgemäß fielen dem Time Hack mehrere Personen zum Opfer weshalb die Teilnehmeranzahl nur mehr knappe 30 Personen betrug.
Nun ging es wieder hinaus auf das Gelände…der Stairway to sparta wurde geschlossen bezwungen und wir erreichten die Nemesis des Bewerbs – das Multirig.
Jeder musste mit Gepäck über das Multirig und für jeden Fail waren 30 Burpees fällig die dann am Ende des Bewerbs zu absolvieren waren. Als am Ende 600 Burpees zu Buche standen dachte noch niemand an die Auswirkungen.
Der verbliebene Rest der Gruppe brach wieder auf und erreichte kurze Zeit später den Tire Flip – Aufgabe as usual – alle großen Tires (teilweise welche, die nur von 6 Mann getragen werden konnten) in Richtung Startgelände zu bringen, ohne dass ein Reifen den Boden berührt. Aufgrund der immer geringeren Anzahl an Teilnehmern wurde die Trageaufgaben naturgemäß schwerer und schwerer da die Krypteia keine Anstalt machten, das Gewicht ebenfalls anzupassen.
Mit den Reifen ging es bis zum Tire Carry, wo nun als folgende Aufgabe die dort vorhandenen kleinen Reifen (ca 150-200 Stück) durch den Tire Carry getragen werden mussten. Eine der wahrscheinlich besten Teamleistungen im gesamten Bewerb sorgte dafür, dass mittels Menschenkette zuerst alle Reifen gesammelt auf den höchsten Punkt gebracht wurden um sie dann kontrolliert in Etappen hinabrollen zu lassen bevor sie zurückgetragen wurden. Das letzte Stück zum Ausgangspunkt retour war ein rutschiger Abhang ausgehend von einem Schlammloch feinster Güte.
Kaum war der letzte Reifen am Ausgangspunkt war es zur Abwechslung mal wieder Zeit für das allseits geliebte PT – mittlerweile tat jeder Squat, jede Abwärtsbewegung und jede Muskel Kontraktion des Oberkörpers einfach nur mehr weh. Während die Gruppe gesammelt gedrillt wurde, durfte jeweils 1 Teilnehmer nach dem andere zurück ins Schlammloch um mit einem absolvierten Water Drop Burpee den letzten time Hack etwas zu erleichtern.
Total verdreckt, verschwitzt und ziemlich am Ende wurden wir nun mit einer der letzten aufgaben konfrontiert – 3 der ganz großen Reifen und wieder mal 3 Stämme mussten vom Tire Carry innerhalb von 30min ins Festivalgelände gebracht werden. Wir mobilisierten nochmal die letzten Kräfte und zogen unter triumphalen Empfang der Besucher in das Startgelände ein – Stämme und Reifen wurden aufgetürmt und unser Monument des HH12HR war somit fertig.
Allerdings fehlte noch etwas…wir mussten unsere Schuld begleichen…jeder der dachte, dass nun in irgendeiner Form Gnade oder Kompromisse angeboten werden würde bemerkte sehr schnell wie falsch er lag:
„How many burpees do you own me?”
“600!”
“So how many are we gonna do??”
Schweigen…
“How many are we gonna do?? If you cannot answer, we will do 100 more!!”
“600?”
“Yes!!”
Ungläubig und absolut unmotiviert begannen wir den Pain Train zu besteigen – das Gepäck blieb dabei am Körper, was weder die Beweglichkeit noch die Synchronität erhöhte und dafür sorgte, dass mehrfach Burpees wiederholt werden mussten. Erst nach 100 Burpees hatte die Krypteia Mitleid und erließ uns das Gewicht. Nichtsdestotrotz waren 500 übrig und unter den Anfeuerungen der Umstehenden spulten wir Burpee um Burpee ab – die einzigen Pausen waren jeweils großzügige 30 Sekunden Trinkpause nach 100 Stück.
Nach 190 Burpees kollabierte mein Nebenmann und gab mit dem Ziel vor Augen völlig entkräftet auf – sowohl Tom als auch ich waren ebenfalls körperlich am Ende, aber keiner von uns wollte der Krypteia diese Genugtuung schenken, also ging es weiter…300…400…500…100 Burpees von der Erlösung entfernt. Ich konnte kaum noch geradestehen, von Springen keine Rede und Schweiß/Tränen liefen mir in die Augen, aber diese 100 wurden gefinished.
Als krönender Abschluss musste natürlich der letzte Burpee wieder mit Gewicht absolviert werden bevor wir uns vor den letzten beiden Wänden sammelten und nach Bezwingung dieser unsere Grabsteine dem Feuer übergaben. Was für eine Erlösung!!! Der finale Gruppensprung über das Feuer beendete einen mehr als 14 Stunden dauernden Bewerb.
Fazit:
Was für eine Grenzerfahrung! Ich habe in diesen 14 Stunden so viel über mich und meine Leidensfähigkeit gelernt, aber auch wozu Menschen als Individuum und im Team fähig sind. Man sieht sie scheitern und man sieht sie gewinnen – beides lehrt uns auf seine Weise eine Lektion. Vieles an Gestik und Mimik die ich gesehen habe lässt sich nicht beschreiben und die herzlichen Umarmungen am Ende zeigen wie sehr solche Bewerbe vorher fremde Menschen aneinanderschweißen.
Trotz aller Schmerzen, aller Angst rauszufliegen, aller Wut auf unsere Schinder und der Trauer um jeden Teilnehmer den wir währenddessen verloren haben – ich bin stolz!
Vor allem bin ich stolz auf Tom, der in seinem Leben noch nie und wohl auch nie wieder 600 Burpees am Stück gemacht hat und der auch für mich immer eine Inspiration war wenn ich selbst gezweifelt habe, ob ich diesen Wahnsinn durchstehe – DANKE!!
(Martin Pairer)
Fotos: hier