Meine ersten Weltmeisterschaften wurden für mich auch gleich zu einer mehrfachen Premiere, da ich zusätzlich auch meinen Verein die union dirtrun.company „offiziell“ vertreten durfte. Also ein, in doppelter Hinsicht, spezielles Wochenende für mich. 😊
Nach erfolgreicher Qualifikation Anfang des Jahres, hatte ich bald den Entschluss gefasst, an den Weltmeisterschaften teilzunehmen. Hauptgrund war einerseits, dass diese heuer wieder nahe London stattfanden und die Anreise somit im vertretbaren Rahmen blieb. Andererseits war für mich die Teilnahme an der OCR EM in Polen terminlich nicht möglich … also auf zur WM.
Nachdem ich meine Frau auch davon überzeugen konnte, K&K (Kinder und Katzen) für ein verlängertes Wochenende, in Obhut der Großeltern zu übergeben – beim ersten Gespräch wurden von mir noch keine Rennen erwähnt – konnte die Teilnahme für London endlich fixiert werden. Die Anmeldekosten für 15k, 3k und 100m Sprint beliefen sich auf € 355 inkl. Versicherung der Gebühren. Hotel (170 €/p.) und Flug (95 €/p.) wurden auch schnell und problemlos gefunden und somit hieß es nur mehr warten und trainieren.
Die Vorbereitung verlief zuerst recht gut, jedoch kamen in weiterer Folge durch das für mich hohe Laufpensum (meine Schwäche) wieder meine schon bekannten Probleme mit dem Patellasehnen-Spitzensyndrom an beiden Knien zum Tragen. Das Laufprogramm wurde deshalb die letzten drei Monate in der Form geändert, dass ich nur mehr kurze und harte Einheiten absolvierte. Das Training an den Hindernissen (eher meine Stärke) fand hauptsächlich am „hauseigenen Parkour“ statt, dessen Endausbau, aber leider noch immer nicht abgeschlossen ist. Somit fehlte mir das Üben von einigen Hindernissen, welche ich eigentlich unbedingt vorher probieren wollte. Durch die Reduktion des Laufens hatte sich auch meine Pace verschlechtert, aber trotz allem startete ich durchwegs positiv, aber auch nervös in das Abenteuer „Weltmeisterschaften“.
TAG 1 – 3k Age Group 30-39 & 100m Sprint
Mit Zug und Taxi ging es frühmorgens vom östlichen Teil der City von London (Stratford) zum Veranstaltungsgelände dem Secret Nuclear Buker Kelvedon Hatch. Bei der Startnummernabholung verlief alles problemlos und vor allem schnell, da die meisten dies wahrscheinlich schon am Vortag erledigt hatten. Auf dem ersten Rundgang durchs Gelände entdeckte ich einen Stand von „Force5“ mit der Möglichkeit sich an den „Gibbons“ zu probieren. Nachdem dies eine unbekannte im Rennen darstellte, wagte ich gleich einen Versuch und … FAIL. Ok, dann noch einen … FAIL. Stand wieder verlassen und der ganze Optimismus futsch.
Beim Aufwärmen
änderte ich aufgrund des vorrangegangenen Misserfolges meine Strategie anstatt
vollem Risiko, auf langsam beginnen, Kraft sparen und irgendwie alle Hindernisse
bewältigen, um das begehrte Band zu behalten.
Meine AGE Group startete als erstes und die Läufer wurden jede Minute in
Kleingruppen (ca. 15) auf den Kurs geschickt. Ich fand mich gleich am Ende
meiner Gruppe ein und startete mit einem nicht zu schnellen Lauftempo.
Der erste Kilometer verlief eher unspektakulär mit einfachen Hindernissen (Gräben, Reifen, Balken und einem F5-Rig). Auf den zweiten tausend Metern folgten die anspruchsvolleren Hindernisse und das Rennen machte immer mehr Spaß. Es folgten u.a. Valkyrie, Sabretooth, ein weiteres F5-Rig und die F5-Gibbons.
Zu meiner Überraschung konnte ich auch diese Hindernisse sofort mit erfolgreichen Glocken-Läuten überwinden. Nachdem ich auch die verflixten Gibbons erfolgreich gemeistert hatte, steigerte ich aus lauter Euphorie mein Lauftempo und ging vollster Motivation auf die letzten 1,5km. Im Grunde folgten bis auf „Skitch“ einfachere Hindernisse, wo jedoch ein schnelleres Überwinden mit einer besseren Technik möglich gewesen wäre. Als ich beim „Skitch“ die Haken zum ersten Mal in der Hand hielt, dachte ich mir nur: „Wie soll ich mit denen, da rüber ….“
Zur eigenen Verwunderung funktioniert aber auch das gleich auf Anhieb und es ging ab Richtung Ziel. Nach ein paar weiteren einfacheren Hindernisse konnte ich voller Freude und vollauf zufrieden meine Medaille und das heiß begehrte Wristband entgegennehmen.
Von 1.237
Age-Group-Startern konnten 789 „Complete“ finishen – Gesamt belegte ich den 136.Platz,
bei den 30-39jährigen wurde es der zufriedenstellende 50.Rang. Am meisten
freute ich mich jedoch über das Behalten des Bandes und dass ich jedes
Hindernis beim ersten Versuch bezwingen konnte.
Nach einer 30minütigen Pause bestritt ich gleich meinen 100m Sprint, um noch
genügend Zeit für ein Nachmittags-London-Programm über zu haben. Es war viel zu
früh nach dem Rennen und mitten im Lauf hat mir das auch die Wade zu verstehen
gegeben. Auf einen zweiten Versuch verzichtete ich aufgrund des 15k und somit
platzierte ich mich nur als 114 von 358 Startern.
TAG 2 – 15k Age Group 35-39
Zu meinem zweiten Einsatz musste ich dann alleine fahren, da sich Sarah nicht für einen zweiten Tag im Regen und Dreck begeistern konnte.
Dieses Mal war es eine Stunde später, um 10:00 Uhr, soweit und eigentlich war ich aufgrund des Vortages recht positiv gestimmt. Ein wenig kälter und etwas mehr Regen wird schon nicht große Auswirkungen haben, dachte ich ….. Meine Bekleidung änderte ich aufgrund der kälteren Bedingungen in der Art und Weise, dass ich unter meinem Laufshirt noch einen langärmeligen Windstopper trug – der nächste Fehler!
Das 15k Race wurde im Massenstart gestartet und ich positionierte mich etwa im vorderen Drittel und lief mit dem Tempo der Masse mit. Die ersten Hindernisse waren wie am Vortag eher einfach, doch bei den Gorilla Bars (Nr.10) wurde klar, das Metall mit Nässe und Gatsch es doch um einiges schwieriger machen würden. Die gleich darauffolgenden Wreck Bag Carries und Crawls durch mehrere Gräben und unter mehreren Netzen hindurch, jeweils auf matschigen Boden, waren ebenfalls nicht ohne. Trotzdem gut im Rennen und ich konnte auch das Tempo meiner Gruppe halten. Nach 5km war ich sehr überrascht von meiner Zeit und ich begann schon zu rechnen, dass sich mein Ziel mit einer Endzeit von knapp über 2h zu finishen, ja ausgehen könnte.
Gleich beim nächsten Hindernis (Hang Tough, Nr.20) wurde ich jedoch auf den Boden der Realität zurückgeholt und ich rutschte beim letzten Griff (drehendes Rad) kurz vorm Ende ab und flog ins dreckige Wasser. Jetzt spürte ich zum ersten Mal, dass meine Hände doch schon kraftloser wurden und ich versuchte zuerst meine Hände zu trocknen, was gar nicht so leicht war. Nach einer kurzen Pause schaffte ich es doch auf die andere Seite, aber es war ein richtiger Dämpfer und ich ahnte schon, dass es nicht der letzte bleiben sollte. Das darauffolgende Seil-Hindernis (Minions) ging sich gerade noch aus und jeder Griff, jedes Seil war nur mehr rutschig von Wasser und Erde.
So bei Kilometer 7 und 8 folgten die ganzen Wasserhindernisse (u.a. Slide, Zip Line, Swingers …) welche unheimlich viel Spaß machten und die Motivation für kurze Zeit wieder aufflackern lies.
Durch die dauernde Nässe und Kälte wurden meine Arme ganz kalt und der enganliegende Windstopper verschlimmerte die ganze Sache nur. Ich entschied mich ihn auszuziehen und band ihn mir vorerst ums Becken. Dies behinderte mich jedoch beim Laufen und bei den Hindernissen und somit entledigte ich mich meinens „10 jährigen Wegbegleiters“ bei einem Marshall.
Trotz allem war meine Zielzeit zur Hälfte des Rennes noch immer in Reichweite.
Bei der Stairway to Heaven (Nr. 41) folgte mein zweiter Absturz. Hinauf ging es den Umständen entsprechend so halbwegs, aber hinunter konnte ich mich mit den Fingern überhaupt nicht mehr halten. Beim zweiten Versuch legte ich beim Hinabklettern die ganzen Arme über die Stufen, was mir einige blaue Flecken bescherte. Anders wäre es aber nicht mehr möglich gewesen.
Bei einem Force5
Rig (Nr. 54) und Valkyrie (Nr. 58) waren ebenfalls zwei Versuche angesagt,
einmal falsche Technik und einmal „mit dem Kopf schon beim Abschlagen der
Glocke“. An eine niedrige 2h Zeit war nicht mehr zu denken, dass neue Ziel hieß
nur noch, das Band ins Ziel zu bekommen.
Ninja Rings (Nr. 62) und Skull Valley (Nr. 67) konnte ich beide beim ersten Mal
überwinden, was in Anbetracht meines „Zustandes“ für mich doch überraschend
kam.
Mit mehr als ausgelaugten Armen kam ich zu meinen Lieblingen, den Gibbons (Nr. 69). Ich versuchte mich aus dem Stand mit einer Hand an dem Holzstab festzuhalten – ging nicht mehr – also war einarmiges Pendeln schon mal nicht mehr möglich. Von anderen Teilnehmern sah ich die „Chicken Wing“ Technik (mit den ganzen Armen bis zu den Schultern in den Griff reinhängen und hinteren Stab mit der freien Hand in die nächste Halterung legen), welche meine einzige Chance mehr war. Beim ersten Versuch fiel mir gleich am Anfang ein Holzstab zu Boden und ich riss mir beim Herunterfallen auch noch mein „Band“ ab. Gott sei Dank, sah dies ein Marshall und es wurde über Funk weitergegeben, dass ich mein Band noch nicht verloren habe. Doch trotzdem musste ich das Hindernis einmal schaffen. Beim zweiten Versuch fiel mir in der Mitte ebenfalls ein Holzstab hinunter, doch ich versuchte, mit mehrmaligen, beidarmigen Pendeln genug Schwung zusammenzubekommen, um bis zur Glocke zu springen. Ich wollte unbedingt verhindern, einen neuen Versuch starten zu müssen und es ist mir zu meinem Glück auch gelungen.
Von nun weg,
musste ich bei jedem Hindernis dem Marshall mein Band zeigen und erklären, dass
es mir noch nicht abgenommen wurde. Damit ich es ja nicht auf der Strecke
verlieren konnte, schaute ich gefühlte 100mal, dass mein Zip in der Laufhose ja
auch immer verschlossen blieb.
Das alles entscheidende Hindernis, Skitch (Nr. 71) noch schaffen und das Band ins
Ziel bekommen. Kann ja nicht so schwer sein. Der erste Versuch endete beim
Wechsel von Stange 1 auf 2, da ich mit den Hooks hängen blieb. Versuch 2 endete
auf der letzten Stange, wo die Glocke nicht mehr weit gewesen wäre, aber meine
Finger ganz langsam nachgelassen haben und es nicht mehr möglich war, einmal
weiter zu haken. Neben mir kämpften einige andere Athleten ebenfalls und
scheiterten immer wieder. Vor allem Läufer, die das Band noch hatten, wollten
es nicht kurz vor Schluss verlieren und es wurde immer wieder von Neuem
begonnen. Zwischen meinen Versuchen machte ich immer eine längere Pause um wenigstens
ein bisschen Kraft wiederzuerlangen. Ein deutscher konnte beim 5ten Versuch die
Glocke läuten und ich dachte mir nur: „Wie hat der das jetzt noch geschafft?“
Ich weiß nicht wie oder warum es beim dritten Versuch funktioniert hat, da
eigentlich keine Kraft mehr vorhanden war, aber der Wille macht dann doch noch
einiges möglich.
Die letzten
Hindernisse waren nur mehr ein „den Körper ins Ziel schleppen“, und immer
wieder kontrollierte ich, ob das Band eh noch da war. Wenn man nach so einem
Rennen, bei dem ich sicher über meine körperlichen Grenzen (in den Armen) hinausgegangen
bin, finisht und das „Wristband“ sowie die Medaille bekommt, ist man glaub ich
einfach nur mal stolz auf sich selbst, egal welcher Platz oder welche Zeit.
Schlussendlich reichte es nur zu einer Zeit von 3:11:42. Von 1594 Age Group
Startern konnten 553 „Complete“ finishen – Gesamt wurde es der 492.Platz, in
meiner Age Group der 90.Rang.
FAZIT:
Bekleidungstechnisch
habe ich einiges lernen können – leider – aber die neuen Schuhe (INOV Mudclaw
G-260) waren bei dem gatschigen Boden perfekt und ich hatte wirklich einen
super Grip während des ganzen Laufens. Ob sie bei anderen Bedingungen auch so
bestechen, wird sich weisen.
Von den beiden Rennen bin ich jetzt, zwei Wochen danach, noch immer voll
begeistert. Hauptgrund dafür ist, dass die Gewichtung viel mehr bei den
Hindernissen liegt, als beim Laufen, was für mich bei meinen bisherigen
absolvierten Veranstaltungen nicht so der Fall war. Aus diesem Grund werde ich
mein Programm für das nächste Jahr definitiv anders gestalten wie bisher. Auch
das Training wird adaptiert und viel mehr an den Hindernissen bzw. an meiner
Finger- Armkraft gearbeitet. Leider habe ich dieses Mal nicht am Teamrennen
teilgenommen, aber das ist für 2020 bei der OCR EC in Italien fix eingeplant,
in der Hoffnung mit Leuten aus der Company!
Philip „MrComplete“ Weiss