Spartan Race Ultra Andorra (AND) – 16.06.2018

Der Reiz am Außergewöhnlichen

Nach der 4x-Trifecta sowie einer Endurance-Trifecta habe ich für mich letztes Jahr beschlossen, den Fokus auf die längeren Spartan Races zu legen und nur noch ausgewählte Läufe zu machen. Ende 2017 erreichte mich dann folgende News: „45km+, 60+ Hindernisse, Mitte Juni 2018  Ultra in Andorra. Mehr brauchte es nicht – gebucht ;-).

Dass Andorra keinen Flughafen hat, der Start auf 2000m Höhe in den Pyrenäen erfolgt, es in der Früh eine Temperatur um den Gefrierpunkt haben wird und zu Mittag die Sonne herunter heizt, es letztlich 52km werden, nein das wusste ich teils bis zum Schluss nicht :-).

Aber alles der Reihe nach: Andorra, etwas größer als Wien, liegt zwischen Spanien und Frankreich und ist am einfachsten via Mietauto von Barcelona aus zu erreichen. Demnach haben wir uns entschieden, bereits am Donnerstag nach Barcelona zu fliegen, um in Ruhe am Freitag nach Andorra anzureisen. Samstag dann den Lauf abspulen, ehe es am Sonntag wieder zurück nach Barcelona geht, um sich bis Mittwoch die Stadt und das Meer genauer anzusehen.

Da ich von einer Temperatur von 25 Grad herum ausging, war auch der Koffer dementsprechend gepackt. Zum Glück erreichte mich noch vor Abflug die Nachricht, dass es auf 2000m Seehöhe keine sonnigen 25 Grad haben wird, sondern -2 Grad. Also dann nochmals umgepackt – von Neopren bis Cold Gear war alles dabei ;-).

Auf nach Andorra

Der Flug mit Eurowings und kostenloser Extra-Beinfreiheit in den ersten acht Reihen war sehr angenehm und entspannt. Auch der Erhalt des nagelneuen Mietautos – ein VW Polo mit DSG – von Sixt am Bahnhof in Barcelona ging problemlos vonstatten. Am Donnerstagabend gesellten sich dann noch Lisa (Trifecta-Weekend) und Jan (Ultra + Super/Sprint) zu uns ins Hotel Ibis dazu, ehe sich am nächsten Tag mit Lea, Wolfgang und Stefan (für alle das erste Trifecta-Weekend bzw. für unsere Mädls gar das erste Beast) weitere verrückte Mitglieder zu unserem Konvoi nach Andorra/Encamp anschlossen um die Startunterlagen abzuholen bzw. das Briefing für die Ultra-Distanz zu absolvieren.

Der Start war allerdings in Grau Roig, einem Skigebiet in den Pyrenäen, wovon unser Hotel in etwa 20 Minuten entfernt lag. Die Straßen vor allem am Weg zu unserem Hotel auf teilweise 2500m Höhe waren allesamt 1A – schön breit, übersichtlich und ohne jeglichen Schlaglöchern. Ein Traum für mich als Motorradfahrer!

It’s f*cking Race Day

WiIlkommen beim Ultra in Andorra

Mein Start in der Elite war für 07:30 Uhr angesetzt, dementsprechend zeitig läutete der Wecker um noch ausreichend Abstand zwischen Frühstück und Start zu haben. Kurz nach 06:00 Uhr brachen wir bei rund 3 Grad Richtung Startgelände auf. Ich entschied mich daher oben und untenrum in langer Montur zu laufen und auch dünne Handschuhe anzuziehen. In die Wechselzone legte ich dann neben Nahrung auch noch kurze Wechselkleidung.

Vor dem Start

Die Anspannung war nicht nur mir anzumerken. Vor allem nach dem einem mehrmals eingetrichtert wurde, dass man sich auf über 2000m Höhe befindet wo sich der Körper anders verhält. So ist der Sauerstoffgehalt deutlich geringer und die Herzfrequenz höher, was wiederum bedeutet, dass jeder einzelne Schritt eine größere Belastung für Geist und Körper darstellt.

Startblock

Nun war es soweit und es ging in den Startblock. Zuvor wurde aber noch genau kontrolliert, ob man alle vorgeschriebenen Ausrüstungsgegenstände mithatte:

  • Trinkrucksack mit min. 1L-Blase
  • Pfeife
  • Rettungsdecke
  • Stirnlampe
  • Rotes Rücklicht

Um 07:30 Uhr ging es dann auch schon los, um die Skipisten Andorras zu erkunden. Im Gegensatz zu einigen anderen Läufern habe ich die zahlreichen Warnungen ernst genommen und bin sehr zurückhaltend gestartet um den Körper langsam an die ungewohnte Belastung heranzuführen. So habe ich es relativ human empfunden, dass auf den ersten paar Kilometern die Hindernisse ausblieben. Man hatte ja ohnehin mit den extrem steilen Anstieg unter besonderen Bedingungen zu kämpfen. Nach zwei Kilometern hatte ich bei winterlichen Temperaturen bereits knackige 400 Höhenmeter auf der Uhr.

Berge Andorra

Danach eine kurze Downhill-Trailpassage bevor es für uns Ultraläufer nach links wegging, um eine nette Schleife mit weiteren 200 Höhenmetern auf gerademal einem Kilometer zu absolvieren. Über Schnee- und Geröllfelder liefen wir wieder hinunter zum Ausgangspunkt um dann weiter auf der Beaststrecke zu „wandern“. Denn sogleich folgten die nächsten 200 Höhenmeter bis das erste nennenswerte Hindernis auftauchte – der Schneeballwurf auf eine kleine Spartankopf-Scheibe. Kurzum: Sie suchen heute noch den Schneeball. Nach einer Stunde und gerademal etwas mehr als 5 Kilometern bei ca. 800 Höhenmetern waren dann die ersten 30 Burpees fällig. Diese kleine Zwangspause hat mir aber wider erwarten gut getan. Die Beine wurden gelockert und es durften auch mal andere Muskeln mitarbeiten :-).

Tragtierstafette in luftiger Höhe

Auf extrem steilem und unebenem Terrain ging es durch eiskalte Bäche dann mit angezogener Handbremse wieder runter auf 2100m Seehöhe zum Sandbag Carry. Ich achtete bewusst darauf, bergab langsamer zu laufen, um ja nicht wieder umzuknöcheln, da das wohl das Aus bedeutet hätte. War doch mein Knöchel von einem fünf Wochen zuvor erlittenen Bändereinriss noch nicht ganz erholt, was sich aber noch rächen sollte…

Da als Sandsack die offiziellen „Spartan-Race-Laberln“ zu tragen waren, schien der Carry eigentlich unspektakulär – eigentlich ;-). Nach ein paar Höhenmetern durften wir einen Eisenziegel mit Stahlkette ein gutes Stück mitnehmen, bevor wir mit Sandbag den „Hobie Hop“ durchführen mussten. Dabei gilt es sich ein enges Gummiband um die Knöchel zu spannen und in dem Fall über mehrere Holzstämme – selbstverständlich mit Sandsack –  zu springen.

Carry

Dann folgt wohl das schönste Stück des gesamten Laufs: Über Felsen und Wälder, vorbei an zwei Seen ging es immer wieder hoch und runter. Allerdings musste man hier nicht nur auf rutschige Wurzeln und Felsen achten, sondern auch genauestens nach Markierungen Ausschau halten, denn der eine oder andere Läufer verlief sich in diesem Streckenabschnitt –  und nein, ich gehörte diesmal ausnahmsweise nicht dazu ;-).

Nach 16 Kilometern erreichte man dann die Hinderniskombo Bender gefolgt von einer langen Version der Tyrolean Traverse.

Am Weg Richtung Atlas Carry galt es noch den einen oder anderen kühlen Bach zu durchqueren und weiterhin genau aufzupassen wo man seinen Fuß hinsetzte. Der Boden (vermutlich durch das Schmelzwasser) war sehr aufgeweicht. Mit 1950 Metern über Meeresspiegel wurde hier der tiefste Punkt des gesamten Laufs erreicht.

Eisiges Tief

Tiefpunkt beschreibt auch ziemlich gut meine nächste Erfahrung die ich machen musste. Bis zum Hals im eiskalten Wasser unter einer Brücke hindurch, gegen die Strömung kämpfend hinein in den nächsten Bach. Es machten sich bei mir die ersten Krämpfe nach 20 Kilometern in beiden Adduktoren deutlich bemerkbar. Aus dem Gewässer heraus, musste die 9“ Feet Wall überwunden werden, wo ich leider kläglich scheiterte. Dazu muss ich aber zu meiner Verteidigung zu sagen, dass sich die Wand gleich nach dem Ausstieg nach einer Bodenwelle befand, demnach auch ohne viel Anlauf und der Größte bin ich dann auch nicht.

Nachdem ich die notwendigen 30 Burpees absolviert hatte bekam ich mein erstes Band, quasi als Checkpoint, da ich hier leider Gottes nochmals vorbeikommen würde…

Ab jetzt begann der eigentliche Wahnsinn. Wie kann es anders sein, ging es nämlich wiederum steil aufwärts bis zu einer weiteren Aufteilung, wo die Ultra-Läufer gegenüber den Beast-Startern eine 3,5 km lange Zusatzschleife mit einem unhandlichen und rauhen Schalstein machen durften. Auf dem ersten Kilometer waren mit diesem tollen Klotz 200 Höhenmeter zu meistern. Auch das Abwärtslaufen wird damit sehr unangenehm für den Nacken.

Schalstein

Zurück auf der Beast-Strecke gleich weiter zur „Chain Carry“, denn man hat ja noch nichts getragen. Hatte man diesen absolviert, blühte einem der nächste grausame Anstieg mit weiteren 200 Höhenmetern auf etwas mehr als 500 Metern Strecke. Meine Adduktoren haben mich zu dem Zeitpunkt mehr als deutlich wissen lassen was sie davon hielten.

Memory Board mal 2 beim Ultra

Nach dem Anstieg sorgte der nächste Memory-Test für Fragezeichen bei uns Läufern. Wir hatten wir uns doch schon einen merken müssen. So waren es ab nun zwei Codes die es zu behalten galt. Unmittelbar danach den Balance Beam erfolgreich absolviert, hinab zum Bucket Carry. Eigentlich hätten wir schon längst im Übergangszonenzelt sein sollen, aber man schickte uns dann doch lieber nochmals ein paar Höhenmeter einsammeln.

Nun war es aber endlich soweit – fast. Vorher noch einmal Speer werfen. Diesmal wird alles besser… Schuss… Genau mittig am Strohballen… Jubel brandet bei mir auf… DOCH… der Speer erreicht den Ballen um paar cm nicht… Warum? Ich stand am Seil… Mich lautstark über meine Dummheit ärgernd, absolvierte ich mit Zorn die fälligen 30 Burpees, um dann in die Übergangszone zu gehen und mein zweites Band zu erhalten.

Dort angekommen wechselte ich die Kleidung von lang/lang auf kurz/kurz, denn es brannte zu dem Zeitpunkt doch schon die Sonne extrem herunter. Die Gel- und Salzvorräte wurden aufgefüllt und eine Banane später hing ich schon zum zweiten Mal am Twister und danach gleich am Multirig. Nicht zum ersten Mal durfte ich wegen eines Flüchtigkeitsfehlers beim letzten Spartan-Kopf weitere 30 Burpees abspulen. Zurück auf altbekanntem Terrain waren nun mittlerweile auch die Sprint-Läufer gestartet. So staute es sich bei der einen oder anderen Bachquerung mit Seil. Hier konnte ich den Ultra-Bonus meist ausspielen und wurde vorbei gewunken. Im Wasser wurden die Krämpfe immer schlimmer, aber nur nichts vor den Sprint-Leuten anmerken lassen 😉

Runde 2 mit den Sprintlern

Dann wie schon von der Vorrunde bekannt den Bender, die Tyrolean Traverse und den Atlas Carry zu überwinden um wieder die Beine ins kühle Nass zu stecken. Es folgte natürlich auch wieder die geliebte Wand an der ich mir die Zähne abermals ausbiss.

Anstieg nach Anstieg folgte nach inzwischen über 40 Kilometern und nach über 3000 Höhenmetern in den Beinen folgte mein persönlicher Glücksmoment auf mehr als 2.000m Seehöhe: Zum ersten Mal überhaupt konnte ich die Slackline bezwingen! Das sorgte für die notwendige Portion Selbstvertrauen die nun bitter notwendig war. So setzte mir jetzt spürbar die Höhenluft durch erhöhten Puls zu und naja, die Krämpfe wurden auch nicht besser.

Das zweite Mal Chain Carry und der Aufstieg danach kosteten viel Kraft. Mit viel Glück konnte ich dann den Balance Beam auch ein zweites Mal erfolgreich passieren und ohne weiteren Burpees den Bucket Carry durchführen. Mental schon darauf eingestellt, dass es in etwa nur noch vier Kilometer bis zum Ziel sind, pushte ich mich immer weiter, trotzdem mir bewusst war, dass noch ein größerer Anstieg auf uns wartete.

Fast geschafft

Nachdem auf der Strecke nun jeder Volunteer fast auf jedem Kilometer „almost there“ sagte und wir auch Richtung Ziel schon einbogen, rechnete ich nicht mehr damit, was noch alles kommen würde.

Zuerst Speerwurf… Diesmal ohne am Seil zu stehen, souverän getroffen. Weiter zum Olympus, auch den bezwungen. Multirig, diesmal fehlerfrei durch. Gefolgt vom Twister, den gerade noch so geschafft. Jetzt fehlte aber die Kraft in den Unterarmen, um an der Z-Wall zu bestehen. Somit wieder 30 Burpees und immer lauter werdende Gedanken wie „Verdammt, wann bin ich endlich da…“

Über den „Stairway to Heaven“ ging es wieder hinaus aus dem Zielbereich hinauf zum Memorytest, wo ich den ersteren Code erfolgreich abgefragt wurde um im Anschluss wieder weiter auf die Ultra-Schleife geschickt zu werden. Was folgte, war aus meiner Sicht definitiv nicht mehr notwendig, aber Bitteschön. Mit bereits über 50 Kilometern in den Beinen durfte man nun auch noch einen langen Barbed Wire Crawl bergauf absolvieren um dann nochmals mittels Schleife mehr Höhenmeter zu absolvieren. Vor mir gab es niemanden mehr, hinter mir ebenso wenig jemanden und die Pumpe war gefühlt auf durchgehend 180. Jeder Schritt war nur noch anstrengend, ich wollte nur noch ins Ziel.

sorry for my bad english

Natürlich ging es wieder steil bergab Richtung Ziel. Aber vorher noch einmal Rope Climb wo mich dann auch meine Freundin sichtete und mich auf den letzten qualvollen Metern mental unterstützte. Unmittelbar nach dem Seil über eine 8“ Wall wieder ein Schleifchen mit abermaligem Stacheldraht – selbstverständlich bergauf. Was ich davon hielt kann man wohl dem Foto ganz gut entnehmen ;-).

Kurz vor dem Ziel

Kaum zu glauben, aber jetzt war es nun wirklich soweit… Einmal noch durch den Rolling Mud (ohne Mud), unter einem aufgebockten Mercedes hindurch, der obligatorische Sprung über das Feuer, hoch mit den Armen, raus mit den Emotionen! Was für ein Rennen! 10 Stunden und 30 Minuten auf durchschnittlich über 2000m Seehöhe. Ein ständiges rauf und runter ohne lange Trails, dazu noch 210 Burpees – ja, das mit Abstand härteste Rennen bisher!

Noch gab es aber nicht die Medaille. Zuerst wurde kontrolliert ob man alle Bänder ins Ziel gebracht hatte, bevor man zum Zeitnehmungszelt weiter musste. Hier wurde erneut streng kontrolliert, ob alle zehn Checkpoints erreicht wurden und ob irgendwelche Strafen vorliegen. Nachdem der spanische Volunteer dafür gefühlt eine Ewigkeit benötigte, wurde mir schon etwas mulmig. Dann mit Finger am Display die Aussage „Hmm… Nineteen“.  Ich dachte mir schon, „ich hab sicher nicht nur 19 Burpees gemacht“, bis sich herausstellte, dass damit meine Platzierung gemeint war! Nun war es amtlich: „Sorry for my bad English! Congratulations! You finished on place 19th“ – nach diesen Worten war ich stolzer Besitzer der Ultra Medaille!

Noch nie war ich so stolz (als Rapid-Fan) etwas Violettes um meinen Hals hängen zu haben!

(Rene Biedermann)

 

Das Streckenprofil

~ 52km / ~ 3600 Höhenmeter

Bericht zum Ultra Beast Vechec 2016: hier

Anmeldung zum Ultra in Valcianska Dolina 2018: hier